Lajos Kassák

21.3.1887 Érsekújvár – 22.7.1967 Budapest

Ungarischer Schriftsteller; bahnbrechend für den Expressionismus in Ungarn, sozialkritische Romane und Erzählungen; sein Roman «Angyalföld» 1929 schildert das Budapester Arbeitermilieu der 1920er Jahre; expressionistische Gedichte.

www.wissen.de

Lajos Kassák

Am 3. März 1887 in Ersekujvar, Ungarn, geboren. Kassak macht zunächst eine Schlosserlehre, ehe er 1909 zu Fuss nach Paris wandert. Ab 1912 veröffentlicht er Romane, Gedichte und Dramen in stark expressionistischem Ton. Ab 1915 gibt Kassak in Budapest die aktivistische Zeitschrift «Tett» (Tat) heraus, die 1916 verboten wird. 1916 gründet Kassak die Zeitschrift «MA» (Heute), die zum Zentrum der avantgardistischen ungarischen Künstlergruppe gleichen Namens wird. Von 1920-1925 erscheint die Zeitschrift im Exil in Wien. Die Gruppe nimmt um 1920 Verbindung zur russischen Revolutionskunst auf und wird einer ihrer Vermittler in Westeuropa.

Nach dem Ende der ungarischen Räte-Regierung emigriert Kassak 1919 nach Wien. Neben seiner Tätigkeit als Kunstkritiker, Organisator und Lyriker entstehen in den 20er Jahren konstruktivistische Werke, die er «Bildarchitekturen» – freie geometrische Bildgestaltungen – nennt, Zeichnungen, Dada-Collagen und Raumplastiken. Nach der Rückkehr nach Budapest, 1926, konzentriert er seine künstlerische Tätigkeit auf die Bildcollage. Daneben ist er als Redaktor verschiedener Zeitungen und als Schriftsteller tätig. Am 27. Juli 1967 in Budapest gestorben.

Die Sprache der Geometrie
Hans Christoph von Tavel
Kunstmuseum Bern
17. März bis 13. Mai 1984

Notizen

«Die Bildarchitektur baut nicht in die Fläche hinein, sondern aus der Fläche heraus. Sie nimmt einfach die Fläche als gegebenes Fundament, öffnet nicht einwärts Perspektiven, was immer nur illusorisch sein kann, sondern sie tritt mit ihren aufeinandergelegten Farben und Formen in den realen Raum, und so bekommt das Bild die unendliche Möglichkeit des Bildlebens: die natürliche Perspektive. Die Bildarchitektur rechnet ebenso wie im allgemeinen die Architektur mit den Gesetzen der Gravitation und Physik. Die zwischen Formen und Farben entstandene Perspektive stammt nicht aus dem scheinbaren Hintereinanderbau der dargestellten Körper, sondern sie stammt aus der eigenen Körperlichkeit wirklich daseiender Farben und Flächeformen. Deshalb leben diese Farben und Formen, sie leben ihr eigenes reales Leben, im Gegensatz zur Farben- und Formdekoration -wie die guten Kritiker diese ganze Kunst einmal nennen werden. Dekoration ist Füllung der Fläche, Bildarchitektur ist Bau auf der Fläche. Unsere Bilder sind deshalb nicht, als ob, sondern sie sind. Sie wirken unmittelbar, und ihre Wirkung kann nie sein, als ob ein kopiertes Porträt oder Landschaft oder Konstruktion der neuesten Maschinenillusion zu sprechen, zu blühen oder sich in Bewegung zu setzen anfange. Und deshalb ist unsere Kunst ein primäres Schaffen, und wir, jedem Bau ähnlich, brechen von unserem eigenen Gebiet, von der Fläche, als Grund in dem Raum auf, so wie wir nicht mehr dienen, sondern die Welt zu unserem Ebenbild umformen wollen.»
(Lajos Kassak, Bildarchitektur, 1922)
Aus: Laszlo 1968, S. 39

Die Sprache der Geometrie
Hans Christoph von Tavel
Kunstmuseum Bern
17. März bis 13. Mai 1984

Lajos Kassák #2

Was André Breton für den französischen Surrealismus ist, das bedeutet der Name Lajos Kassák für die ungarische Avantgarde nach dem Ersten Weltkrieg. Mehr noch: Kassáks Wirkung reichte bis nach Deutschland. Er hat die Künstler um das Bauhaus vielleicht genauso wesentlich beeinflusst wie sein Landsmann László Moholy-Nagy. Den einen kennt man, weil er im Exil Fuss fasste und blieb. Der andere, Kassák, wird ausserhalb Ungarns zu wenig beachtet.

Universalgenie

Zu Unrecht, denn Lajos Kassák war Dichter, Prosaist, Maler, Grafiker und vor allem Organisator der ungarischen Moderne in einer Person. Als Schlosserlehrling bereiste er Europa und begann im ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts zu schreiben. Von Anfang an schrieb er avantgardistische Texte, «im Gleichschritt mit dem italienischen und russischen Futurismus und ohne etwas von diesen Strömungen zu wissen», wie György Dalos, Autor und Vermittler zum deutschen Sprachraum, erzählt.

Allianz mit dem Kommunismus

Kassák sammelte eine Schar von jungen Anhängern um die Zeitschriften, die er gründete, «Ma» – auf Deutsch «Heute» – und später «A Tett» – «Die Tat». Das war nicht die noble, elitäre Moderne eines Endre Ady oder Mihály Babits, die in etwa mit Rilke oder Hofmannsthal vergleichbar sind. Der Kassák-Kreis stand vielmehr für eine revolutionäre Kunst, die sich im Sog der ersten politischen Revolution, der kommunistischen ungarischen Räterepublik des Béla Kun, entwickelte.

Flucht nach Österreich

Nach der Niederschlagung der kommunistischen Räterepublik 1919 flüchtete Kassák nach Österreich. Sieben Jahre lang lebte er in Wien und stellte in der Galerie Würthle aus. Doch seine künstlerischen Bestrebungen hinterliessen hier kaum Spuren: Das Klima war nicht danach, der Klerikal-Faschismus warf seine Schatten voraus. Während etliche von Kassáks Mitstreitern später in die Sowjetunion gingen und teils in den stalinistischen Gulags endeten, kehrte Kassák 1926 nach Ungarn zurück.

Produktives Missverständnis

Da dieser Aktivismus mit der Revolutions- bewegung der Nachkriegszeit verwandt war, gab es eine Zeitlang eine Allianz zwischen Kassák und den jungen Kommunisten. Er stellte sogar seine Wohnung den Kommunisten zur Gründungssitzung zur Verfügung. «Ein produktives Missverständnis», wie György Dalos meint, «denn Kassák ging es vor allem um die Revolution in der Kunst, was mit den Kommunisten nicht ging, wie er bald bemerkte.»

Von den Kommunisten gehasst

Nach 1948 wurde Kassák von den Kommunisten mehr gehasst als die bürgerlichen Autoren, die zu Kompromissen bereit waren. Erst in den 50er Jahren durfte er wieder ein wenig publizieren. Seine revolutionären visuellen Gedichte, wo die Verteilung der Seite ein grafisches Bild ergibt, waren von der offiziellen KP-Kulturpolitik wegen ihrer Nähe zum Dadaismus und zum «dekadenten» Surrealismus totgeschwiegen worden.

Dorothee Frank
http://kultur.orf.at

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