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Eine seit 1969 sich abzeichnende Richtung der modernen Kunst, die das Grundprinzip der bisherigen bildenden Kunst, ihre Sichtbarkeit, in Frage stellt. Die Idee eines Werkes (das Konzept) tritt nicht nur aus Mangel an finanziellen Mitteln oder aufgrund technischer Undurchführbarkeit an die Stelle der konkreten Verwirklichung oder Präsentation, sondern wird als von vornherein gleichwertig angesehen. Der Betrachter ist nicht mehr auf die blosse Wahrnehmung festgelegt, sondern sieht sich aufgefordert, die offene Form gemäss seinen eigenen Vorstellungen zu reflektieren. Dadurch wird das Kunstwerk aus der Sphäre der endgültigen Abgeschlossenheit herausgenommen und bleibt dem Prozess der individuellen Anverwandlung offen (daher auch Process-Art oder Processual Art genannt).
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Conceptual Art , Concept Art, Ideenkunst, Konzeptkunst
Mitte der 1960er Jahre als Fortsetzung der Minimal Art entstandene Kunstform. Charakteristisch für die Conceptual Art ist die Entmaterialisierung, die Einschränkung der Mittel. Die nur skizzenhaft angelegte Conceptual Art besteht zum Teil aus schriftlichen Anweisungen und Ideenprojektionen, bisweilen auch aus Fotos. Die Kunstwerke der Conceptual Art erfordern vom Betrachter ein sich Vertiefen und Hineinfühlen, also einen Denkprozess. Der Betrachter soll sich gedanklich mit der Herstellung des Kunstwerks auseinandersetzen. Da die Objekte nicht wie sonst als fertige Werke ausgeführt sind, wird die Art der Kunst auch als Ideenkunst bezeichnet. Wegweisend waren Objekte von Joseph Kosuth, wie etwa das Ensemble One and Three Chairs, bestehend aus einem Stuhl, der Fotografie eines Stuhls und dem Lexikontext über einen Stuhl (New York, Museum of Modern Art). Prägend für die Conceptual Art wirkten sich Arbeiten von Sol Le Witt aus. Als Vertreter der Conceptual Art Erwähnung finden u. a. R. Barry, D. Buren, D. Huebler, J. Kosuth, K. Sonnier, F. E. Walther und L. Weiner. Die Conceptual Art war die Grundlage für die Analytische Malerei, bei der die Analyse der Konzeption zum zentralen Thema wurde, z. B. der Art & Language Kreis, dem Victor Burgin sowie Joseph Kosuth angehörten.
K. HONNEF, Concept Art, Köln 1971; L. LIPPARD, Six Years. The Dematerialisation of the Object from 1966 – 72, New York 1973; G. BATTCOCK (Hg.), Idea Art, New York 1973; Kat. Documenta 6, Kassel 1977; H. ENGELHARDT, Studien zur Problematik der C., Diss. Leipzig 1986.
Das grosse Kunstlexikon von P.W. Hartmann
Konzeptkunst – Conceptual Art
Unter der Fahne der Conceptual Art scharen sich viele Kunst-Tendenzen, die sich nur sehr schwer auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Die Kunstströmung war international und entwickelte sich aus dem Bannkreis des Fluxus vor allem in den späten 60er Jahren, sie gipfelt in den 70ern.
Die meisten Künstler entsagten einer materiellen Verdinglichung im Kunstwerk. Ihre Werke ersetzten sie durch Zeichen und Texte. Konzepte und Ideenprojektionen sollen den Rezipienten zu einer Auseinandersetzung anregen.
Neu an der Strömung war nicht der Gedanke, Kunst als Konzept zu verstehen, sondern die Absicht, das Konzept vom Werk zu befreien. Die Protagonisten wollten ihre Ideen so konkret werden lassen, wie es ansonsten die produzierten Werke waren. Sie stellten Texte anstelle von Gemälden aus, ihr Material zur Herstellung von Kunst war die Sprache.
Als Ziel kann die Definition eines neuen Kunstbegriffs gesehen werden. Eine Änderung des Kunstbegriffs war aber nur dann möglich, wenn die Künstler die Kunstpraxis änderten. Joseph Kosuth beschreibt seine Position als Konzeptkünstler 1968 folgendermassen: Meine Rolle als Künstler endet mit der Publikation des Werks. Ich änderte die Form der Präsentation … und erwarb Raum in Zeitungen … Auf diese Weise unterstrich ich die Immaterialität des Werks und schnitt ihm jede Verbindung zur Malerei ab.
Die herkömmliche Ausstellungspraxis wurde abgelehnt, Zeitungsseiten wurden als Ausstellungsfläche gemietet. Als offizielles Organ der Konzeptkunst diente die Zeitschrift – das Kunstwerk – Art-Language, die von den englischen Künstlern Terry Atkinson und Michael Baldwin 1969 gegründet wurde.
Kunsthistorische Erläuterungen
Mentale Zustände als Kunst
Konzeptkunst wird als Sammelbegriff für eine heterogene Menge von stilistischen Methoden und Vorgehensweisen verwendet, denen gemeinsam ist, dass Kunst nicht mehr über physikalische Objekte definiert wird, sondern über Ideen und mentale Konzepte, deren Instanzierung zu physikalischen Objekten führen kann, aber nicht muss.
Mit der expliziten Einführung der Konzeptkunst wurde die Entwicklung thematisiert, die durch eine Abwendung der retinalen Ästhetik gekennzeichnet ist, und die zu einem erweiterten Kunstbegriff führte, in dem letztlich mentale Zustände als Kunstobjekte betrachtet werden.
Ansätze in der frühen abstrakten Kunst
Erste Ansätze für die Bedeutung des Mentalen können bereits in der Enstehungsphase der abstrakten Kunst zu Beginn des 20’sten Jahrhunderts identifiziert werden, bei denen das Geistige in der Kunst» eine grössere Bedeutung besitzt als gegenständliche Manifestationen. Diese frühen Ansätze bleiben jedoch noch der retinalen Ästhetik verhaftet, da an die Stelle der gegenständlichen Bilder nun abstrakte Bilder treten.
Skizzen, Beschreibungen und Anleitungen
Die Loslösung von einer retinalen Ästhetik wurde erst in den 60’er Jahren durchgeführt, wobei anstatt eines Kunstobjektes nun Skizzen, Beschreibungen und Anleitungen zum Bau eines Objektes an die Stelle des vom Künstler ausgeführten Objektes treten.
Problem der Autorisation
Indem der Künstler Objekte nicht mehr selbst ausführt, wird die Problemstellung der Reproduzierbarkeit nochmals verschärft, die schon bei der Verwendung der Fotographie als Mittel zur Kunsterzeugung thematisiert wurde. Die dort gefundenen Lösungsansätze bezüglich der Autorisation durch den Künstler lassen sich teilweise auf den Bereich der Konzeptkunst übertragen, indem beispielsweise eine Bauanleitung zum Bau einer maximalen Anzahl von Objekten berechtigt, die auf diese Weise durch den Künstler autorisiert sind.
Formen der individuellen Autorisation von Einzelobjekten können dann erfolgen, wenn neben der Bauanleitung die Materialien mitgeliefert werden, auf denen duch Autorisationssymbole wie Signatur, Titel und Numerierung angebracht sind.
Interaktive Kunst
Durch die Verwendung von Anleitungen wird der Rezipient dazu aufgefordert, das Kunstwerk zumindest mental zu generieren. Durch diesen Vorgang kann die Konzeptkunst auch als Vorläufer interaktiver Kunstformen betrachtet werden, die den ehemaligen Rezipienten in die Kunstentstehung integriert, sodass die Grenzen zwischen Kunsterzeugung und Kunstrezeption aufgehoben werden. Durch die Fähigkeit des Rezipienten eine aktive Interpretation durchzuführen, kann der Prozess der Kunstentstehung als Kommunikation betrachtet werden, wenn die Definition Kommunikation als interpretierte Interaktion zugrunde gelegt wird.
Computerkunst
Werden Anleitungen als Materialisierung von mentalen Konzepten betrachtet, so können allgemein Datenstrukturen die gleiche Funktion erfüllen. Auf diese Weise können digital gespeicherte Objekte ebenfalls als Konzepte interpretiert werden, die durch einen zusätzlichen Prozess, wie dem Drucken oder Belichten, zu einem physikalischen Objekt werden.
Diese Argumentation gilt in einfacher Hinsicht für datenorientierte Computerkunst, und in zweifacher Hinsicht für funktionsorientierte Computerkunst, bei der ein Werk beispielsweise nicht als Matrix von Pixeln vorliegt, sondern als Formel, die iterativ berechnet werden muss, um eine Matrix von Pixeln zu erzeugen, die dann zu einem physikalischen Objekt umgesetzt werden kann.
Günter Bachelier
Kunsthistorische Erläuterungen – Konzeptkunst