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Happening

Im Gefolge der Pop-Art entstandene Aktionsform der Kunst der 1960er Jahre, bei der ein mitunter improvisiertes Geschehen von oft sozialkritischem, häufig auch absurdem Charakter vorgetragen wurde, wobei das Publikum die Distanz zum Kunstereignis verlieren und so ein neues, kritisches Selbstverständnis gewinnen sollte. Hauptrepräsentanten waren in den USA Jim Dine (Autounfall 1960) und Allan Kaprow, in Deutschland Wolf Vostell.

  • www.wissen.de

Happening, Ereignis

Das Happening kann als kollektivistischer Fluxus unter aktiver Beteiligung des Publikums interpretiert werden, wobei Improvisationen die Regel sind. Alan Kaprow, ein Vertreter des Neuen Realismus, inszenierte 1958 in der Reuben Gallery in New York das erste Happening und gilt auch als Erfinder des Ausdrucks Happening. Der 1927 geborene Künstler wollte das Publikum aktiv einbeziehen und auf diese Weise seine Kunst, den Realismus des Alltags und das soziologisch-psychologische Verhalten der Menschen betreffend, der Öffentlichkeit durch verschiedenste Ereignisse (Happenings) nahebringen, z. B. mit Hilfe von Geräuschen, Lichteffekten, Gerüchen etc. Seine Happenings fanden starke Resonanz, etwa 1960 The big laugh (das grosse Lachen) und 1962 A service for the death (der Dienst für den Tod). Der 1967 in New York erschienene Traktat Kaprows mit dem Titel Assemblage, Environments and Happening trug dazu bei, das Happening bekanntzumachen.

Die von Kaprow 1970 in Berlin errichtete Sweet wall (süsse Mauer) bestand aus 400 Betonsteinen, für deren Verfugung Weissbrot und Marmelade verwendet wurden. Frühe Vertreter, die das Happening als Kunstform einsetzten, waren ferner Jim Dine, Claes Oldenburg und Carolee Schneeman, wobei letztere mit ihren Arbeiten vor allem feministische Anliegen vertrat. Als einer der ersten Künstler veranstaltete der Graphiker Wolf Vostell (geb. 1932) Happenings auch in Deutschland. Er befestigte u. a. so genannte Abreissbilder an Plakatwänden und bediente sich für seine Aktionen der Möglichkeiten des Videos.

Nach diesen Protagonisten versuchten später viele Aktionisten durch Happenings zu schockieren, um einen nachhaltigen Eindruck zu erzielen. Die Zuschauer wurden zur aktiven Mitarbeit angeregt, wodurch die Grenzen zwischen Darsteller und Teilnehmer aufgehoben werden sollten. Die Idee des Happenings wurde auch vom amerikanischen Avantgardekomponisten John Cage übernommen. Seiner Vorstellung nach sollten Musiker auf die Menschen nicht nur über das Gehör einwirken, sondern gleichzeitig auch visuelle Eindrücke vermitteln, ein Gedanke, der später von vielen Rockgruppen erfolgreich aufgegriffen wurde und z. B. von Michael Jackson in vollendeter Perfektion durchgeführt wird.

Seit den 1970er Jahren wurde der Ausdruck Happening in der Bildenden Kunst meist durch Aktion (Aktionskunst) ersetzt. Beim Versuch, das Publikum durch Schock zu beeindrucken, scheuten Anhänger des Aktionismus auch nicht vor dem Einsatz von Blut, Exkrementen etc. zurück. Nicht selten wurden bei derartigen Ereignissen die Grenzen des guten Geschmacks überschritten. Je weniger überzeugend ein Kunstwerk sei, desto stärker müsse der Schock sein, um Publikum und Kritiker zu einer Reaktion zu veranlassen, lautet die Stellungnahme der schärfsten Gegner des Aktionismus.

Zu den bekannten Aktionisten gehören: J. Beuys, G. Brecht, B. Brock, J. Cage, J. Dine, R. Filliou, E. Hansen, D. Higgins, T. Kantor, J.-J. Lebel, C. Oldenburg, N. J. Paik, R. Rauschenberg, W. Vostell, R. Watts und E. Williams. Speziell zum Wiener Aktionismus gezählt werden die von O. Mühl und H. Nitsch veranstalteten H., wobei letzterer weniger durch Happenings als durch seine als Orgien-Mysterien-Theater bezeichneten Aktionen bekanntgeworden ist. In den späten 1960er Jahren gingen Happenings und Fluxus dann in die Performance über.

  • J. BECKER, W. VOSTELL (Hg.), H., Pop-Art, Nouveau Réalisme, Reinbek 1965; A. KAPROW, Assemblage, Environments & H., New York 1966; H. SOHM, H. & Fluxus, Ausst. Kat. d. Kölnischen Kunstvereins, Köln 1970.
  • Das grosse Kunstlexikon von P.W. Hartmann

Happening Archiv Sohm

1962 gründete Wolf Vostell mit der ersten Nummer der Zeitschrift «décoll/age» mit Texten und Partituren von George Maciunas, Addi Köpcke, Nam June Paik, Benjamin Patterson, La Monte Young und anderen ein Kompendium der Intermediakunst, das bis 1969 auf sieben Exemplare anwuchs und – Ironie der Geschichte dieser marktwirtschaftliche Mechanismen attackierenden Antikunstbewegung – heute durch das in der fünften Nummer befindliche Schokoladenmultiple von Joseph Beuys ein rares Sammlerstück ist. Für Hanns Sohm war die Zeitschrift und die Bekanntschaft mit Wolf Vostell seinerzeit die Initialzündung zu seiner Archivierung von ephemerer Zeitkunst zum Zeitpunkt ihres Entstehens, die nahezu jeden ihrer relevanten Protagonisten berücksichtigen sollte.

In seinem 1958 geschriebenen Aufsatz zum «Erbe Jackson Pollocks» hatte der Amerikaner Allan Kaprow als einzig mögliche Weiterführung der Kunst die Ausdehnung des «dripping» in den Raum verkündet. In alltagsnahen, unmystischen und das Publikum miteinbeziehenden Handlungen, denen er die bald inflationär benutzte Bezeichnung «Happening» gab, setzte er diese These in die Tat um. In Deutschland wurde Wolf Vostell zum wichtigsten Veranstalter des Happenings, das er, anders als die meisten amerikanischen Aktionskünstler, als politische Demonstration begriff. Mit dem angeblich zufällig in einer Pariser Zeitung gefundenen Begriff «dé/collage» (=Flugzeugabsturz) bezeichnete er nicht nur seine Plakatabrisse und Illustriertenverwischungen – die den Nouveaux Réalistes und Robert Rauschenbergs «Combine paintings» viel verdanken -, sondern auch Aktionen, die die Zerstörungskomponente zeitgenössischer Vorgänge attackieren (wie z.B. 1964 «in Ulm und um Ulm herum», wo ein Militärflugplatz mit aufheulenden Düsentriebwerken zum Konzertsaal erklärt wurde).

  • Autorin: Ina Conzen (IC) www.staatsgalerie.de

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